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  • AutorenbildDietmar Gebert

"Doblerone"

Einkaufen kann zum Erlebnis werden. Vor allem dann, wenn man einen ganzen Laden für sich hat und jedem Kunden und jeder Kundin eine Fachberaterin zur Verfügung steht. Das ganze findet nach Ladenschluss und unter Ausschuss der Öffentlichkeit statt. Also ohne weitere Kunden. Der Schweizer würde sagen: „Doblerone“.


Patricia begrüßt uns freudig und es beginnt mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Die meisten kennen sich schon von früheren Shopping-Events. Patricia merkt sich jeden Namen. Zuerst wird mit Sekt angestoßen, denn mit ein paar Promille im Blut passt nachher jedes Kleidungsstück. Fachleute sprechen vom sogenannten „Campari-Effekt“, will heißen, dass man sich seinen Körper „schön trinkt“. Es gibt keine Problemzonen, es gibt nur falsche Größen.


Dann verschwinden plötzlich alle in irgend eine Ecke des Bekleidungs-Tempels. Jede/r weiß schon, wo er „seine Mode“ findet.



Ab und zu hört man freudiges Jauchzen. Das ist ein Zeichen, dass jemand erfolgreich war. Sitzt, passt, wackelt nicht und lässt mir Luft zum Atmen. Ein kurzer Freudentanz, der sogenannte „Passodobler“, und den anderen wird das ausgewählte Stück vorgeführt. So häufen sich langsam die Stapel auf der Kassentheke. Das Geld liegt auf der Straße, sagt man. Hier heißt die Straße „Street one“.


Als einziger Mann unter zahlreichen Frauen habe ich „Exoten-Status“. Doch ich genieße den vielen Stoff, aus dem die Träume sind. Plötzlich sehe ich mich in einer verwaschenen grauen Jeans mit punktiertem Hemd und rotbrauner Jacke. Auch wenn ich nichts gesucht habe, ich habe gleich etwas gefunden.



Von nebenan schallt es: „Das Leben ist zu kurz für lange Kleider“ und die Verkäuferin bestätigt meine Frau in der Auswahl eines höchstens knielangen Kleides.


Dass man nur maximal drei Teile mit in die Kabine nehmen darf, ist an diesem Abend außer Kraft gesetzt. Das ist mindestens so angenehm wie das Ende der Maskenpflicht. Und tatsächlich hängen in manchen Umkleidekabinen mehr Kleidungsstücke als an den Ständern. Wer will da am Ende die richtige Auswahl treffen?


Und dann sind da noch die Häppchen! Häppchen für das Happening. Schön gerichtete, fast mundgroß portionierte kulinarische Leckerbissen, die unseren Magen und uns darin bestärken, dass wir demnächst die XL-Grenze verlassen. Doch wir genießen jeden Happen und denken uns: Der Stoff muss ja auch gefüllt werden!



Mit vollem Bauch geht es in die nächste Runde. Nachdem uns der Bundeskanzler empfohlen hat, den „Gürtel enger zu schnallen“ auf Grund steigender Rohstoffpreise, stelle ich fest, dass ich gar keinen geeigneten Gürtel habe. Die Verkäuferin scheint mir mein Dilemma von den Lippen ablesen zu können, denn schon wenige Minuten später sehe ich mich als stolzer Besitzer eines „schwarzen Gürtels“. Wenn nur das Problem mit den Gaspreisen auch so leicht gelöst werden könnte...


Wir nähern uns dem Finale. Es beginnt die spannende Zeit an der Kasse und ich frage mich: „Macht meine Kreditkarte das mit?“


Der Kassenbon ist länger als eine Rolle Klopapier, wenngleich nur einlagig. Ein kurzes Telefonat mit meinem Bankberater und er kann die Summe kurz vor dem Wochenende freigeben.


Juhu! Es ist noch einmal gut gegangen. Ich sah mich in Gedanken schon kurz wie „Bonny & Kleid“ im Knast verschwinden, da ich die Schulden nicht bezahlen konnte.


Alle präsentieren nach und nach ihre vollen Papiertaschen. Patricia hat vermutlich eigens für uns sogenannte XXXL-Taschen geordert. Gefühlt haben wir die Lager geräumt und Platz für die Winter- und Herbstkollektion gemacht.


Und dann?


Dann kommen wir wieder. Patricia, das soll beileibe keine Drohung sein. Danke, für diesen schönen Abend. Kleider machen nicht nur Leute, sondern auch glücklich!

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